Phase Zwei

Die erste Phase berichtet davon, wie ich mich selbst aus der Depression zog, weil ich endlich ein Ziel vor Augen hatte. Ich war verliebt in einen neuen Job, fühlte mich geradezu berufen und mir war klar, dass ich es so, wie es mir zu dem Zeitpunkt ging, niemals schaffen könnte. Ich musste etwas ändern. Ganz dringend. Und so lernte ich, auf mich selbst Acht zu geben, mir etwas Gutes zu tun und meine destruktiven Gedankenmuster in konstruktive zu verwandeln. Ich arbeitete an meiner Wertschätzung für andere Menschen, an meiner Fähigkeit, zu vergeben und Verständnis zu generieren. Ich habe verstanden, was Selbstvertrauen ist.

Ich kann kaum in Worte fassen, wie stolz ich in diesem Punkt auf mich bin. Das war schrecklich harte Arbeit, aber ich habe es, so denke ich, ganz gut gemeistert. Über alles habe ich auch gar nicht berichtet, ich hatte noch gut 15 Punkte auf meiner Liste, über die ich schreiben wollte. Aber wenn ich inzwischen eines ganz sicher über die Zeit sagen kann: Sie schreitet voran. Erbarmungslos. Und so blieb mir keine mehr, als dann endlich die Ausbildung, der erste Weg hin zu meinem ersten Meilenstein, anfing.

Blindes Festbeißen an Wünschen

Anfang August begann die zweite Phase und die war vor allen Dingen geprägt vom Überleben. Einfach nur überleben. Es irgendwie schaffen. Ganz egal wie. Plötzlich ging alles so schnell. In einer irren Geschwindigkeit flogen die Tage an mir vorbei, permanent dem Ertrinken ins Auge blickend. Eine wilde Manie überdeckte meine grenzenlose Erschöpfung. Das war zu viel. Zu viel zu viel zu viel! Aber ich wollte so sehr. Ich halluzinierte schlußendlich und fiel. Fiel aus. Gute 4 Wochen ging ich nicht zur Schule. Aber ich wollte zu sehr. Blind vor bloßem Wollen gegenüber meiner Ratlosigkeit berserkte ich mich durch die nächsten zwei Monate. Fiel wieder. Nicht mehr ganz so tief. Stand wieder auf. Wie verbissen ich mich an der Hoffnung festhielt, alles wird bald ein Ende nehmen. All meine Hoffnung lag in der Sicherheit, dass Zeit vergeht. Sie verging. Währenddessen fiel ich, stand auf, fiel ich, stand auf. Alles immer kürzer werdend. Mit immer mehr Tränen verbunden. Doch dann waren es plötzlich nur noch wenige Tage und ich atmete auf, nahm noch einmal allen Mut zusammen und schlug mich durch die letzte Klausur.

Jetzt nur noch 6.5 Wochen. Die werden leicht. Nachdem, was ich in den letzten 7 Monaten durchgestanden habe, auch dank so vieler lieber Menschen, die an mich glaubten, mir Mut machten, mir halfen, zurück zu finden, wenn ich den Fokus verlor, bin ich zuversichtlich, dass die kommenden 6 Wochen ein Klacks werden. Warum kann ich das sagen? Weil ich gelernt habe, dass ich wunderbare Menschen hinter mir stehen habe, die mich unterstützen, weil ich immer mehr Energien frei machen kann, weil ich mir meiner Stärke bewusster bin, als jemals zuvor.

Das Energiesystem nach Birkenbihl

Blind habe ich gehandelt. Monatelang. Ende Dezember hatte ich ein wenig Energie frei und schaute mir noch einmal die Vorlesungen an, die mir aus der Depression heraus halfen. Und da hatte ich einen lichten Moment. Ich verstand ganz plötzlich, warum ich handelte, wie ich handelte, was ich eigentlich tat. Ich sorgte dafür, Gleichgewicht aufzubauen. Denn ich geriet aus dem Gleichgewicht. Es fehlte eine solide Basis. Doch was für eine eigentlich?

Vera Birkenbihl hat in ihrem Vortrag „Erfolgreich dein Leben meistern!“ ein sehr interessantes Energiesystem vorgestellt. Demnach gibt es 5 Bereiche, in denen wir unsere Energien verbraten. Wie viel wo hinein gesteckt wird, ist dabei variabel. Wer sich genauer damit befassen möchte, sollte sich den verlinkten Vortrag anschauen, den ich sehr erhellend fand.

A => autonomes Nervensystem
Atmung, Verdauung

B => Bin ich okay?
Selbstwertgefühl

C => Chronos und Chairos
Routinehandlungen wie Zähne putzen

D => Doing
physische Handlungen

E => Erweiterung und Entwicklung
psychische Handlungen

Diese Energiebereiche sind wie eine Pyramide aufgebaut, mit A als Basis und E als Spitze. Aber nicht als eine Pyramide, die zeigt, wie unsere Energien tatsächlich verteilt sind, sondern ob die notwendigen Energien und die tatsächlichen Energien deckungsgleich sind. Ist die tatsächliche Verteilung nun nicht deckungsgleich mit der notwendigen Verteilung, dann gerate ich ins schwimmen. Dann kämpfe ich um mein Überleben. Dann gerate ich ins Schwanken, ins Taumeln, aus dem Gleichgewicht. Denn wenn in C mehr notwendig ist, als hineingesteckt wird, dann ist C ganz schmal, während D und E normal groß oder sogar übergroß sind und darum wackeln D und E. Umso kleiner C ist, umso stärker wackelt es oben drüber.

Ein Beispiel

Routinen stellen für mich die Sicherstellung der Erfüllung meiner Grundbedürfnisse dar. Sie liegen also in C. Während der ersten Monate hatte ich aufgrund der Ausbildung alle meine Energien in D und E, also in Arbeit und Lernen, so dass ich kaum etwas für C übrig hatte. Ich hätte aber welche für C gebraucht, weil unter anderem die Nahrungsaufnahme, also eines meiner Grundbedürfnisse, nicht durch eine Routine gesichert war. Nun war C also ganz schrecklich klein, während D und E ganz schrecklich groß waren und darum kämpfte ich so sehr um mein Überleben. Weil in dieser Phase viele Routinen fehlten, die meine Grundbedürfnisse hätten sicherstellen müssen, kämpfte ich besonders stark um mein Überleben. Es konnte nur das in D und E gehen, was ich auch für die Ausbildung brauchte, aber eigentlich habe ich C zu viel Energie weg genommen und so konnte ich weder richtig lernen, so wie ich wollte, aber hatte in C auch zu wenig, weshalb ich teilweise meine Grundbedürfnisse nicht sicherstellen konnte. Oder genauer: Weil ich so viel lernen und arbeiten musste, hatte ich nicht genug Energie, um ohne vorhandene Routinen meine Grundbedürfnisse zu sichern, die Grundbedürfnisse zu sichern, war aber so wichtig, dass ich nicht genug Energie hatte, um sie ins Arbeiten und Lernen zu stecken.

Das Gefühl des Scheiterns auf ganzer Linie

Was geschah? Ich konnte weder das eine, noch das andere wirklich sicher stellen. Ich war vollkommen überfordert, weil ich versuchte, zu viele Dinge gleichzeitig zu machen. Und fühlte mich stattdessen so, als scheiterte ich gnadenlos in allen Bereichen. Was mir bloß fehlte, war eine solide Sicherstellung der Erfüllung meiner Grundbedürfnisse, damit ich genug frei habe, um D und E zu bedienen. Konkret also, Routinen, die die Erfüllung meiner Grundbedürfnisse sicherstellen, so das weniger Energie in C notwendig ist und mehr für D und E frei bleibt.

Und was ich tat, um meine Situation zu verbessern, war an C zu arbeiten und mit D und E einfach immer weiter zu machen. Und mit jeder neuen Routine, die ich einführte, brauchte ich weniger Energie in C, weshalb sich tatsächliche Verteilung und notwendige Verteilung nach und nach anglichen. Es wurde immer leichter, ich fühlte mich immer gesünder und kräftiger.

Der große Fehler im Dezember war allerdings, dass ich zu der Zeit ein Verhältnis mit einem Mann hatte, der nach und nach Energie in B notwendig machte, denn die Frage, ob ich okay bin, bröckelte mit ihm, weil er selbst so sehr damit beschäftigt war. Ich muss besser aufpassen, welche Menschen ich in mein Leben lasse! Das wieder auszugleichen war schwierig und bescherte mir stattdessen, dass ich die nötige Pause in den Ferien nicht wahrnehmen konnte, weil ich sie unnötig in einem Bereich verbriet, der eigentlich kaum bis keine Energie erfordert.

Was habe ich nicht alles gelernt, in dieser Zeit. Vor allen Dingen: Energiemanagement ist das A und O in meinem Leben und absolut notwendig, um überhaupt Teil an der Gesellschaft haben zu können. Und mit diesem Modell erklärt sich auch, wieso die Laborvorstellungswoche letztens so anstrengend für mich war. Ich verbriet Unmengen an Energie in A, denn der Krach, die Eindrücke, schmissen meinen Sympathicus an, benötigte unglaublich viel in C, denn keine meiner Routinen war darauf ausgelegt, ein solches Ereignis zu stemmen, weshalb alles einbrach und dann wurde von mir noch verlangt, massig Energie in D und E frei zu machen, dem ich ja auch nachkommen wollte. Ich lief über meinem Level und brannte aus. Puff. Es gilt jetzt, mir dieser Dinge bewusst zu sein und entsprechende Gegenmaßnahmen zu kreieren, damit weniger Energien in A und C verbraten werden. Ich bin gespannt, was ich mir dazu überlegen werde.


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